Über Weihnachten hab ich mir die Twitter Webiste & App gesperrt, auch wenn es war mein Fenster in Welt war. Gedanken, impulse, kleine Lichter von Freund:innen und Genosskis, all das gibt es dort. Genau so wie auch Aktuelles aus Stadt, Land, Bund und Welt; praktisch für mein Studium und gerade in Zeiten von Corona irgendwie ein Blick nach Draußen. Doch es ist nicht alles so schön. Also hab ich mal drüber nachgedacht, wie ich damit in Zukunft umgehen möchte.

Durch meine Interaktionsprotokolle (ActivityWatch, Timetracking) und Verläufe (Webbrowser, Chats, Anrufe) weiß ich aber auch, dass es für mich kein “soziales“ Netzwerk ist. Quantitativ nahm die qualitative Zeit mit Befreundeten ab. Ich hab weniger Kunst geschaffen, weniger musiziert, weniger gelesen, weniger geschrieben. Nicht gar nicht, aber weniger. Und stattdessen? Stattdessen habe ich mich hauptsächlich aufgeregt: über TERFs, über Coronaleugnende, Impfgegner_innen, politische Entscheidungen, Nazis, Hass, Firmen, Software, Design; über so viele Dinge so viel Hass. Und eigentlich ist es falsch, alles daran ist falsch! Die Welt ist ein gigantischer Scheißhaufen und meine Reaktion ist mich in noch mehr negatives zu stürzen? Das ist der dümmste coping mechanism der Welt! xD

Social Media bringt viel Dopamin, aber auch Stress. Gerade die aktuellen Facebook-Leaks zum internen Umgang mit negativen Effekten auf Nutzer_innen (SCHEISZEGAL!) zeigen deutlich, in welchem Masze ein “soziales” Netzwerk Psychiche Probleme und Stress auslöst, mit gravirenden Auswirkungen auf Seele und Körper (BfG 2021). Auch wenn Twitter im (Gegensatz zu Facebook) transparent kommuniziert welche Probleme in den eingesetzen Algorythmen gesehen werden, sind diese Algos keine berechenbaren Formeln, es ist Machine Learning. DH selbst Twitter selbst weisz nicht immer WIE genau Empfehlungen zu stande kommen und wie Problemen (zB der verstärkten Auslieferung Rechtsradikaler Tweets) entgegenzuwirken ist. Ziel des Algorythmus? Menschen Inhalte liefern, die sie auf der Plattform halten. Das bedeutet typischerweise, dass ein Netzwerk starke Emotionen und Interaktion fördert, weil diese dazu führen, dass Menschen mehr Zeit auf der Plattform verbringen.

Aber will ich das? In einem ambivalenten Verhältnis zwischen Freude und Hass erleben was gerade passiert? Die fear of missing out (FOMO) füttern? Ich eigentlich nicht. Und du? Was ich möchte, ist inspirierende Gedanken von anderen lesen und meine Teilen. Ich will kurz und Bündig über aktuelles Tagesgeschehen informiert werden, ohne ausversehen in eine algorythmische Hassspirale zu geraten.

Masznahmen

Ich habe ein Ziel: meine social media erfahrung weniger stressig und mehr sozial gestalten. Dafür folge ich wenigen accounts, nämlich nur solchen die mir besonders wichtig sind. Für lose “internet friends” habe ich eine Liste. Ich nutze den zeitlich geordneten Feed, statt den algorythmisch geordneten Feed. Ich scheiß auf Trends, Nachichten schau ich über ZDF und ARD Mediathek, das ist noch Journalismus und keine Hasstirade. Auch möchte ich für eigene Gedanken eine Abstraktionsebene zum posten nutzen, in meinem Fall das Tool Buffer. So verliere ich mich nicht auf der Plattform, obwohl ich nur noch kurz einen Blogbeitrag teilen wollte. Auf die App selber habe ich mir (wie bei allen anderen “Dopamin-Apps” ein Zeitlimit gesetzt, 30min am Tag. Zu bestimmten Zeiten (automatisch: 22-10 Uhr, manuell auf Arbeit/in der Uni) nutze ich den Android Focus mode um Notifications zu unterdrücken und Sessions auf 5min zu begrenzen.

All das ist natürlich nur eine Individualistische Lösung und bekämpft in keiner Weise das Strukturelle Problem, dass Netzwerke im Kapitalismus gezwungen sind für den eigenen Profit zu arbeiten, statt den Menschen zu dienen. Und das ist sehr, sehr schade.


Einflüsse

  1. Bundesministerium für Gesundheit: Stress: Auswirkungen auf Körper und Psyche, https://gesund.bund.de (Abruf am 24. Dezember 2021).
  2. Ben Smith: Inside the Big Facebook Leak, in: The New York Times, (2021).
  3. Ferenc Huszár u. a.: Algorithmic amplification of politics on Twitter, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, 119 Jg. (2022), H. 1.
  4. How the Twitter Algorithm Works in 2021 and How to Make it Work for You, https://blog.hootsuite.com (Abruf am 25. Dezember 2021).
  5. What to know about how the Twitter algorithm works, https://sproutsocial.com (Abruf am 24. Dezember 2021).
  6. Introducing our Responsible Machine Learning Initiative, https://blog.twitter.com (Abruf am 25. Dezember 2021).