[de] 4 Minuten Lesedauer – Kapitalismuskritik |

Die Erde brennt oder steht unter Wasser, doch wie schon zu Krupps Zeiten gibt es kreative Arschlöcher die aus der Krise Kapital schlagen. Ich möchte dazu anregen Individualkritik fallen zu lassen.

Wenn sich alle vegan ernähren würden

Statt das verschwenderische, ausbeuterische System zu hinterfragen erfreut sich Konsumkritik am Individuum großer Beliebtheit. Die Industrie hat lange an diesem Framing gearbeitet und zahlt es sich aus: viele Menschen sehen die Verantwortung für Problemen die eigentlich die Industrie geschaffen hat beim Individuum. Jahre der neoliberalen “du kannst alles schaffen“ Propaganda haben und darauf getrimmt.

So kommen Menschen auf den Gedanken sie könnten in einem System etwas ändern, wenn sie Vegan wären. Ja, es würde viel ausmachen, wenn alle Vegan wären. Doch der Effekt ist in unserem System, was per Design auf Profitmaximierung durch unendlich Wachstum getrimmt ist, nur sehr begrenzt.

Das bekannteste Beispiel neben der Lohnarbeit ist natürlich die Bewältigung der Klimakatastrophe, doch mein persönlicher Favorit war Mark Zuckerbergs Statement (nach dem Millionen Telefonnummern von Facebook geklaut wurden) was sich mit “Selber schuld, dass ihr uns vertraut, ihr Idioten“ zusammenfassen lässt. Der Zwang zur Angabe einer Telefonnummer, die fahrlässig unsichere Schnittstelle, die Profitmaximierung durch Unterbesetzung von kritischen Stellen, all das wird dabei elegant unter den Tisch gekehrt.

Aber schweife ab: KLIMAKRIESE! Jetzt! Jeder Bon ist ein Stimmzettel!

Moment, WAS?!


Wenn alle so tun würden, als würden sie sich vegan ernähren

Im Euro 3 Diesel mit 180km/h über die Deutsche Autobahn ballern hinterlässt mittlerweile bei einigen ein ungutes Gefühl, die Kinder wollen ja auch noch Auto fahren können.

Doch das eigene Konsumverhalten zu ändern ist irgendwie doof: viel einfacher ist es Bäume pflanzen zu lassen. Sobald aller 100km ein Baum gepflanzt wird schläft es sich wieder ruhig hinterm Steuer! Für einen monatlichen Ablassbrief der jegliches klimaschädliches Verhalten moralisch vertretbar macht (es wird ja kompensiert!) ist nun allen erlaubt so weiterzumachen wie bisher.

Eine praktische Innovation, die uns der heilige freie Markt da geschaffen hat. Leider ist sie zu kurz gedacht.

Die Vorstellung, die Schulden welche zukünftigen Generationen aufgebürdet werden währen mit einem viel zu geringen CO2 Preis abzufedern ist ja hübsch, auch ist sie ein Anfang, eine Lösung des eigentlichen Problems ist sie jedoch nicht. Bäume brauchen Jahre bis sie CO2 in relevanter masse absorbieren, wenn das Geschehen ist können sie immer noch in Waldbränden das in ihnen gebundene CO2 freisetzen.

Erschreckend ist die Alternativlosigkeit, denn die Deutsche Freiheit sich auf der Autobahn nach zwei Bier mit 220km/h in den Tod zu rasen ist halt einfach unantastbar. Gerade die Koalitionsverhandlungen bewiesen, dass ein “realistischer Politikbegriff” welcher von grundsätzlich egoistischen Menschen ausgeht nicht umsonst “realistisch” heißt.

Längst sind wir vom Ziel des Schaffens und Erhaltens einer Lebenswerten Welt abgekommen, gefangen in einem endlosen Klassenkampf. Und das ist sehr, sehr schade.

Bevor du also mit einem hippen Startup das System am Laufen hältst, versuche es doch mal mit direkter Aktion: besetzte mit EG Klimaschädliche Infrastruktur oder rette einen bestehenden Wald vor der Zerstörung.


oder meinetwegen Prost und gute Fahrt

…du Arschloch.